Samstag, 31. Juli 2021

Der Emittent lässt sich alles bezahlen

Sicherlich hat sich schon so mancher Trader gefragt, warum er mit seinen gehebelten Scheinen immer Geld verliert? Klar sieht man genügend Leute in Facebook Gruppen, Foren und ähnlichen Portalen, die entweder das von ihnen gekaufte Produkt nicht verstanden haben, oder aber in einen volatilen Basiswert mit einem hohen Hebel viel Geld verdienen wollen, um festzustellen, dass der Hebel auch in Gegenrichtung wirkt und der Knockout dann sehr nahe ist, bei Verwendung von Knockout Scheinen.

Das Dumme dabei ist: Im Falle des Knockouts ist man erst einmal aus dem Geschäft. Auch wenn der Basiswert nur einen kurzen Dip macht und sich im Anschluss wieder in die gewünschte Richtung bewegt, ist man raus. Eine Re-Entry kann man bestenfalls mit einem neuen Schein versuchen, der einen etwas geringeren Hebel hat. Natürlich kostet auch planloses Handeln den Trader in der Regel immer Geld - hier steht die Frage im Raum, ob ein Re-Entry sinnvoll ist, und zu welchem Kurs. Das sollte man vorab festgelegt haben.

Zusätzliches Aufgeld

Nun könnte man meinen, die als Basiswert gewählte Aktie ist um lediglich fünf Euro gefallen und hat damit den knockout erreicht, so dass man nur diese fünf Euro verloren hat, aber weit gefehlt. Bei Open End Turbos, bei manchen Emittenten auch BEST Turbos genannt (BEST=Barrier Equal STrike, also der Basispreis ist gleich dem Knockout) ist es üblich geworden, ein zusätzliches Aufgeld einzupreisen. Damit kostet der Schein mehr, als er rein rechnerisch eigentlich kosten dürfte. Im Falle des Knockouts ist das Aufgeld natürlich ebenfalls verloren, und dient als zusätzlichen Puffer für den Emittenten bei der Auflösung der gehedgden Position zu dem Schein, was im Falle des Knockouts notwendig ist.

Im Falle eines Scheines mit vorgezogener StopLoss-Schwelle, die bei manchen Emittenten auch "Mini Future" genannt werden, obwohl sie mit einem Future wenig bis nichts gemein haben, wird in der Regel kein Aufgeld verlangt, denn der Emittent hat hier einen Puffer zwischen Stopploss und Strike und zahlt im Falle des Knockouts einfach einen geringeren Restwert aus, als man zunächst anhand der Daten errechnen könnte. Hier wird das Risiko also im Nachgang auf den Kunden / Trader übertragen.

Ausweitung des Spreads vor dem potentiellen Knockout

Doch egal welcher Schein: Wenn sich der Basispreis in der Nähe des Knockouts bewegt, dann weitet mancher Emittent den Spread aus. Ein Ausstieg oder - falls man einen Kamikaze-Trade machen möchte - Einstieg ist dann nur unter erschwerten Bedigungen möglich, auch weil manche Preisgestaltung in diesem Fall nicht mehr viel mit der Realität zu tun hat. Damit wird auch, wer kurz vor dem drohenden Knockout noch aussteigen will, zusätzlich vom Emitenten zur Kase gebeten. Allerdings gibt es hierbei Unterschiede - Emittenten die bis zum Schluss faire Kurse stellen, und solche, die schon bei noch relativ weitem Abstand bereits den Spread ausweiten. Als Trader sitzt man dann in der (Spread-) Kostenfalle.

Scheine zu Haupthandelszeit kaufen oder verkaufen

Dass man den Schein am besten zur Haupthandelszeit kaufen oder verkaufen sollte, macht auch deshalb Sinn, weil dann die Liquidität am Markt am besten ist und der Emittent außerhalb der Haupthandelszeit meist einen größeren Spread verlangt. Herausragendes Beispiel ist der Handel zwischen 22 Uhr und 23 Uhr, z.B. nach Bekanntgabe von Quartalszahlen von US-Unternehmen. Weil zu dieser Zeit nicht mehr viele Anbieter am Markt sind, können diese einen deutlich höheren Spread verlangen, den der Trader dann bezahlen muss, wenn er zu der Zeit unbedingt handeln will.

Finanzierungskosten

Zum Abschluss noch ein Blick auf die Finanzierungskosten. Gerade bei länger laufenden Trades können diese schon eine Rolle spielen, denn es gibt auch Trades nach saisonalen Mustern, die durchaus zwei Monate andauern können. Dafür ist dann ein Sechtel des genannten Prozentsatzes zu kalkulieren. Nicht wundern: Angesichts der Null- bzw. Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank kosten auch Turbo Bear-Zertifikate Finanzierungskosten, in der Regel dank kalkulatorischer Zinsen unter 0% sogar mehr als die Turbo Bull-Zertifikate. Ein Blick auf die Produktseite des Emittenten lohnt hierbei immer, denn es gibt durchaus Unterschiede.

Insgesamt sind die Finanzierungskosten bei Hebelzertifikaten intransparent, denn man sieht sie nicht direkt, sondern nur anhand der Veränderung des Basispreises (strike). Aufpassen: Der vorgelagerte StopLoss wird vom Emittenten oftmals nicht täglich, sondern in größeren Zeitabständen nachgezogen. Ist der Basispreis dann in dem Bereich, kann allein dies zum sofortigen Knockout führen. Wie der Emittent das genau handhabt, steht auf der betreffenden Produkt-Seite des Emittenten.

Und mancher Emittent macht auch bei den Finanzierungskosten Unterschiede: Für ein Produkt mit vorgelagertem Stopploss werden beispielsweise 3,45% p.a verlangt, für ein Produkt auf den gleichen Basiswert mit dem Knockout gleich dem Basispreis und einem vergleichbarem Hebel jedoch 3,62% p.a.. Dies wird jedoch nicht von allem Emittenten im Bereich Derivate so unterschiedlich gehandhabt.

Fazit: Der Emittent lässt sich ALLES bezahlen - und dieser Artikel soll eine kleine Übersicht darüber geben, was alles zu beachten ist. Er erhebt natürlich keine Anspruch auf Vollständigkeit, denn dann müsste ich Romane schreiben, die aber keiner mehr liest. ;)